Heidi lernt fliegen.............

Hier geht es um das Thema Segelflugzeuge alle Typen und Muster

Moderator: aerotimmi

Antworten
Benutzeravatar
swisseagle
Beiträge: 471
Registriert: 07.08.2018 16:57

Heidi lernt fliegen.............

Beitrag von swisseagle »

Es gibt Erlebnisse, die - trotzdem sie lange zurück liegen, im Gedächtnis haften geblieben sind, als wären sie in Stein gemeisselt worden.

Als ich Anfang der Sechzigerjahre nach meiner segelfliegerischen Grundausbildung in Süddeutschland beruflich bedingt in den Raum Köln wechselte und dort dann auf dem Köln-Bonner Flughafen flog, hatte ich ein solches spezielles Erlebnis:
In unserer Fluggruppe gab es eine einzige Flugschülerin - namens Heidi. Eine junge Frau, die keine Mühe scheute, sich - wie ihre männlichen Kameraden - der damals etwas langwierigen und aufwändigen Segelflugausbildung im Verein zu unterziehen.

Geschult wurde an den Wochenenden auf dem Doppelsitzer Mü 13 E "Bergfalke"; die ersten Alleinflüge erfolgten auf dem Grunau Baby II b. Obwohl wir auf einem - allerdings nicht sehr stark frequentierten - Verkehrsflughafen flogen, waren in den beiden Flugzeugen noch keine Funkgeräte eingebaut. Die Flüge wurden daher stets in Absprache mit den Fluglotsen über ein Handfunkgerät am Boden koordiniert.

Heidi hatte bereits über 80 Schulflüge mit unserem Fluglehrer absolviert (normal waren 40 bis 50 Schulstarts bis zum ersten Alleinflug), als sie grünes Licht für den ersten Alleinflug erhielt. Sie schnallte sich im Einsitzer Grunau Baby an und erhielt letzte Instruktionen vom Lehrer. Der einfache Vorkriegsflieger besass ein offenes Cockpit, eine Kufe statt Zentralrad und die spartanische Instrumentierung von Höhen- Fahrtmesser sowie Scheibenvariometer und Flüssigkeitskompass.

Der Windenfahrer zog das etwa einen Kilometer lange Schleppseil straff und kurz darauf stieg der Segler steil in die Luft. Der Start sah sehr gut aus, in etwas 500 Meter löste sich das dünne Drahtseil vom Flugzeug und nach kurzem Geradeausflug kurvte Heidi nach rechts in den Gegenanflug. Nach dieser recht professionellen Einleitung des ersten Alleinfluges begann es dramatisch zu werden: Der Einsitzer wurde immer langsamer, die Nase neigte sich plötzlich nach unten, der Segler wurde wieder schneller und stieg dann wieder steil nach oben. Dieses beängstigende Schauspiel wiederholte sich nunmehr mehrmals. Heidi's Fluglehrer stand wie zur Salzsäule erstarrt auf dem Platz und beobachtete die halsbrecherischen Manöver seiner Schülerin. Nach einem weiteren ziemlich steilen Bahnneigungsflug richtete sich der Segler im letzten Moment auf und setzte hart auf dem Rasen auf. Nach einigen Metern Rutschen auf seiner Landekufe stand er still und eine Tragfläche neigte sich zu Boden.

Langsam schritt unser Lehrer auf seine Aspirantin zu, half ihr beim Aussteigen aus dem Cockpit und fand dann tröstende Worte für den gerade noch glimpflichen Ausgang dieses ersten Alleinfluges. Es folgten nach einer Pause wieder weitere Schulflüge auf dem Doppelsitzer auf einem anderen Platz, bis die Flugschülerin für einen erneuten Versuch auf diesem vertrauten Segler reif schien.
Der Soloflug verlief dann erwartungsgemäss - allerdings nur bis zum Landeanflug. Dieser geriet viel zu kurz und endete um Haaresbreite in der elektrischen Oberleitung einer Bahnlinie. Dieses Ereignis überzeugte dann Lehrer und Schülerin, die Ausbildung spät, aber nicht zu spät, definitiv an den Nagel zu hängen.
Dateianhänge
Grunau Baby II b (Symbolbild)
Grunau Baby II b (Symbolbild)
Windenstart Grunau Baby IIb.jpg (85.65 KiB) 2533 mal betrachtet


[img][/img]
Antworten

Zurück zu „Rund um das Thema Segelflugzeuge“