STOL - ausgereizte Aerodynamik

Hier geht es um das Thema Sportflugzeuge aller Typen der E-Klasse

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swisseagle
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STOL - ausgereizte Aerodynamik

Beitrag von swisseagle »

Short-Take-Off-and-Landing-(STOL) Eigenschaften beschreiben die Fähigkeiten von Flugzeugen, auf sehr kurzen, oft unbefestigten Naturpisten zu starten und zu landen. Bereits im zweiten Weltkrieg wurde der Fieseler "Storch", ein typisches STOL-Flugzeug, als Beobachtungs- Kurier- Verbindungs- und Sanitätsflugzeug sehr erfolgreich eingesetzt. Der hochbeinige, staksig wirkende "Storch" wurde in den ersten Nachkriegsjahren berühmt, als mit diesem Flugzeug Besatzung und Passagiere einer amerikanischen Militärmaschine, die sich auf dem Weg von München nach Marseille über der Schweiz verflogen hatte und auf dem Gauli-Gletscher bruchgelandet war, in mehrfachen spektakulären Einsätzen gerettet wurden.

Während meiner Segelflugausbildung auf unserem süddeutschen Militärflugplatz konnte ich die Dornier Do 27, die in unserer Fluggruppe als Schleppflugzeug eingesetzt wurde, kennen und schätzen lernen. Die Do 27 war das erste deutsche Nachkriegsflugzeug, das von deutschen Ingenieuren in Spanien entwickelt (Do 25) und dann modifiziert in Deutschland in Grossserie für das Heer, die Luftwaffe und die Marine gebaut wurde. Das Flugzeug verfügte über hervorragende Kurzstart- und Landeeigenschaften und war dank seiner kräftigen Motorisierung und den sehr guten Langsam-Flugeigenschaften für das Schleppen unserer ein- und doppelsitzigen Segler bestens geeignet. Die Reisegeschwindigkeit betrug ca. 250 km/h, die Landegeschwindigkeit dagegen nur rund 55 km/h, also ausserordentlich niedrig. Die Schleppgeschwindigkeiten lagen bei etwa 110 km/h und die Steigrate der Do 27, die für insgesamt 6 Insassen inklusive dem Piloten ausgelegt war, übertraf, nur mit dem Piloten an Bord, damals gängige zivile Schleppflugzeuge erheblich.

Die Do 27 besass auftriebserhöhende Vorflügel über die gesamte Länge der Tragflächen-Vorderkanten und ein sehr wirksames Klappensystem an den Hinterkanten der Flügel. Das Fahrwerk zeigte sich als sehr robust und für raue, unbefestigte Pisten ausgelegt. Es war immer wieder beeindruckend, die Do 27 nach dem Ausklinken der Segler in einem fast Stuka-ähnlichen steilen Sinkflug nach unten wegtauchen, im Landeanflug immer langsamer werden und nach dem Aufsetzen nach sehr kurzem Ausrollen zurückkehren zu sehen. Auch steile Kurven in Bodennähe waren fliegerisch kein Problem und führten zu keinen kritischen Situationen.

Viele heutige STOL-Flugzeuge verfügen dank ihrer ausgefeilten Aerodynamik mit hochwirksamen auftriebserhöhenden Klappensystemen über Start- und Landeeigenschaften, die man sich früher nicht zu erträumen wagte. Mit kräftigen Motoren heben diese Flieger nach wenigen Metern ab und steigen in einem geradezu abenteuerlichen Winkel. Ein Traum für Buschpiloten. Robuste Fahrwerke mit Ballonreifen, so genannte Tundrareifen, stecken sogar Kiesbänke an Flussufern problemlos weg. Die Landungen erfolgen ebenso spektakulär: Fast wie ein Ballon sinken diese Flieger bei der Landung langsam auf raue Buschpisten zu, setzen auf und stehen nach wenigen Metern. Geschwindigkeit ist eben nicht immer das Gelbe vom Ei, wenn es darum geht, mit dem Flieger in sehr unwirtlichem Gelände klar zu kommen.
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Dornier Do 27 (Symbolbild)
Dornier Do 27 (Symbolbild)
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