Bundesgerichtsurteil - Fluglotse freigesprochen

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swisseagle
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Bundesgerichtsurteil - Fluglotse freigesprochen

Beitrag von swisseagle »

Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam, oft sehr langsam. Nun ist endlich ein Freispruch des Schweizer Bundesgerichtes in einem Verfahren durch alle Instanzen gegen einen Fluglotsen ergangen. Dieser hatte 2011 versehentlich zwei Verkehrsflugzeugen auf sich kreuzenden Pisten des Flughafens Zürich gleichzeitig Startfreigabe erteilt. Eine Kollision oder mindestens eine gefährliche Annäherung der beiden Maschinen konnte vor allem durch das schnelle Bremsmanöver eines der beiden Piloten verhindert werden. Dem Lotsen wurde eine gefährliche Störung des Flugverkehrs etc. vorgeworfen. Nach dem Freispruch in erster Instanz folgte eine Verurteilung in zweiter Instanz und jetzt der endgültige Freispruch durch das Bundesgericht. Letztendlich dürften Objektivität und eine faire Beurteilung des Vorfalles wohl gesiegt haben. Ich hatte die Verurteilung dieses Lotsen von Anfang an nicht verstanden - aus ganz einfachen Gründen:
Fluglotsen sind sehr gut ausgebildete Spezialisten, von denen hohes Verantwortungsbewusstsein gefordert wird. Diese Controller sind oft einer enormen Arbeitsbelastung und immer wieder Stresssituationen ausgesetzt, die höchste Konzentration sowie sehr schnelle und präzise Reaktionen verlangen. Fehlerfreie Menschen gibt es nicht - in keinem Beruf - das sollte jedem, auch nicht fehlerfreien Juristen, klar sein. Es liegt an der personellen und technischen Ausstattung der Flugsicherung, möglichst jede Fehlerquelle zu eliminieren und nicht Fluglotsen, denen ein Fehler ohne Folgen unterlaufen ist, vor Gericht zu stellen. Soweit meine Meinung.
Zu diesem Thema ein eigenes Fehler-Erlebnis, das schon längere Zeit zurück liegt: An einem Samstag-Nachmittag hatte ich einen längeren Flug in die Berge vorbereitet. Ich wollte nach dem Start mit südöstlichem Kurs durch die an Wochenenden inaktive CTR des Militärflugplatzes Emmen Richtung oberer Zürichsee und dann zum Walensee und in das Churfirstengebiet fliegen. Als ich mir am Computer die DABS-Karte (Daily Airspace Bulletin Switzerland) ausdruckte, bemerkte ich einen temporär gesperrten Luftraum im Gebiet Wädenswil/Richterswil am Zürichsee. Auf dem Beiblatt zur DABS-Karte sind die einzelnen Beschränkungs- und Gefahrengebiete detailliert auch mit den zeitlichen Begrenzungen aufgeführt. In der linken oberen Ecke des Formulares steht völlig unauffällig klein gedruckt der Vermerk "Validity UTC", also eine nach Sommerzeit zweistündige Abweichung von der Lokalzeit. Diesen Vermerk hatte ich falsch interpretiert und angenommen, die zeitliche Sperrung sei bereits aufgehoben.
Als ich mich der Kontrollzone des Militärflugplatzes Emmen näherte, wechselte ich auf die Towerfrequenz dieses Flugplatzes und war ziemlich perplex.Enormes Palaver am Funk, das ich mir wegen des inaktiven Wochenendes nicht erklären konnte. So machte ich, um nicht auch noch dazwischen zu funken, kehrt und flog ein Stück zurück, um dann die Albis-Hügelkette zum Zürichsee zu überqueren. Am Westufer flog ist in einer Höhe von 4000 ft MSL seeaufwärts, den weit an den See heranreichenden Anflugsektor von Emmen mit einer Untergrenze von 4500 ft vermeidend.
Plötzlich rasten sechs rot weisse Tiger-Jets der Patroille-Suisse im 90 Grad-Winkel und mit einer geschätzten Ueberhöhung von einhundert Metern exakt auf mich zu. Der Jet in der Mitte der Gruppe wackelte mit den Flügeln, was ich als eine nette Geste verstand und sofort ebenfalls mit den Tragflächen wackelte. Dann war der Spuk auch schon vorbei. Da ich sowohl den Transponder als auch das FLARM aktiviert hatte, empfand ich die Begegnung nicht als bedrohlich. Die trainierten Düsen-Kollegen mussten über meine Anwesenheit im Bilde sein. Trotzdem kam mir der Vorgang sehr eigenartig vor.
Ich flog nachdenklich seeaufwärts bis in den Raum Schänis weiter und kreiste dort grossräumig. Die Jets führten über dem See ihre Kapriolen vor und verschwanden nach etwa einer Viertelstunde wieder. Nun wagte ich mich wieder am Seeufer entlang zurück und landete nach etwa einer halben Stunde auf meinem Heimatflugplatz. Im C-Büro kam ein diensthabender Kollege auf mich zu und eröffnete mir die Beschwerde eines Fluglotsen über meine Luftraumverletzung. Das konnte ich überhaupt nicht begreifen, hatte ich doch alle zeitlichen Beschränkungen eingehalten. Nach einigem Hin- und Her holte ich meine DABS-Karte hervor und schnell war das Rätsel gelöst: Ich hatte die UTC-Zeit mit der Lokalzeit verwechselt. Peinlich, peinlich.
Noch am Abend schrieb ich einen Bericht über den Vorfall an das Bundesamt für Zivilluftfahrt und entschuldigte mich in einem Telefongespräch beim Fluglotsen von Skygide. Dieser meinte, dass so etwas schon einmal vorkommen könne....
Einige Tage später erhielt ich eine Antwort des Bundesamtes für Zivilluftfahrt, mit der sich der Sachbearbeiter für meinen Bericht mit dem Vermerk, dass dieser der Flugsicherheit sehr dienlich gewesen sei, bedankte. Eine tadellose und beispielhafte Fehlerkultur.
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Patroille Suisse (Symbolbild)
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