Grunau Baby - Segelflug-Nostalgie

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Moderator: aerotimmi

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swisseagle
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Grunau Baby - Segelflug-Nostalgie

Beitrag von swisseagle »

Wie unser ganzes Leben, wird auch die Fliegerei immer mehr von Elektronik und Automatisierung geprägt. Das hat in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in der Verkehrsfliegerei Einzug gehalten sondern auch die allgemeine Luftfahrt grundlegend verändert. Glascockpits statt "Uhrenladen" - GPS statt Kompass- Sicht- und Kartennavigation. Versagt all diese Elektronik plötzlich einmal ihren Dienst, ist so mancher Piloteur hoffnungslos überfordert und hat grösste Mühe, sich im Luftraum zurecht zu finden.
Auch der Segelflug ist von dieser Entwicklung zunehmend geprägt worden. Die heutigen Leistungssegler sind mit so manchen elektronischen Errungenschaften bestückt: Bordcomputer, GPS, Flarm, Transponder, moderne Flugfunkgeräte usw. Manche dieser Segler speisen ihre Geräte sogar mit Strom aus in den Fliegern integrierten Solarzellen.
Meine Segelflugausbildung mutet dagegen fast archaisch an: 1961, als es für uns Jugendliche nicht im Entferntesten die heutigen Freizeitmöglichkeiten gab, war Segelfliegen ein recht exklusiver Sport, der meist nur Wenigen offen stand. Der steinige Weg zum Pilotenschein war mit verplanten Wochenenden, Frondienst in der Werkstatt und vielen anderen Mühen, nebst einigem Verzicht, gepflastert.
Unser damaliges Fluggerät mutet im Vergleich zu heute fast steinzeitlich an: Auf dem Grunau-Baby III startete ich damals zu meinem ersten Alleinflug und konnte mit diesem Holz- und Leinwandflieger den Luftfahrerschein Klasse I für Segelflugzeugführer erwerben. Da gab es zwar eine geschlossene Plexiglashaube, ein Zentralrad unter dem Rumpf, Fahrtmesser, Höhenmesser, Flüssigkeitskompass und Variometer - das war dann auch schon alles.
Nach dem beruflichen Wechsel in den Raum Köln wurde ich Mitglied einer dortigen Segelfluggruppe. Da ging es noch spartanischer zu und her. Nach einigen Ueberprüfungsflügen auf dem Doppelsitzer Mü 13 E "Bergfalke" mit unserem
Fluglehrer setzte ich mich in unser vereinseigenes Grunau-Baby II b. Minimale Instrumentierung wie gehabt, offenes Cockpit und Holzkufe statt Einradfahrwerk. Von einem Funkgerät oder Fallschirm wagte man anfangs noch nicht einmal zu träumen.
Die Windenstarts auf dem Flughafen Köln-Bonn waren Erlebnisse, an die ich mich noch heute immer wieder gerne erinnere. Da ich ziemlich dünn war, musste ich mir vor jedem Flug ein Bleikissen unter den Hintern klemmen, um das Minimalgewicht im Cockpit nicht zu unterschreiten. Zog die Schleppwinde an, schoss das Grunau-Baby auf seiner Kufe katapultartig nach vorne und war nach wenigen Metern in der Luft. Wie ein Drachen stieg ich dann auf ca. 400 - 500 Meter über Grund. Meist blieb es bei einer ausgedehnten Platzrunde. Hin- und wieder erwischte ich jedoch auch mit diesem Vorkriegs-Segler gute Thermik. Dann ging es dank der sehr guten Wendigkeit mit engem "Kurbeln" beständig nach oben - oft weit über eine Stunde lang.
An heissen Sommertagen war es ein grosses Vergnügen, hoch über dem Airport einen Arm über die Bordwand in den kühlen Fahrtwind zu halten und dieses urtümliche Fliegen in vollen Zügen zu geniessen. Wenn weit unten die Jets starteten oder landeten, konnte ich die Triebwerksgeräusche hören und der Geruch verbrannten Kerosins stieg zu mir hoch in die Nase.
Das Landen gestaltete sich mehr als einfach. Gegenanflug, Queranflug, Endanflug und nach dem Aufsetzen war nach wenigen Metern Rutschen auf der Kufe Ende der Vorstellung. Dass die Fluglotsen diesen Flugbetrieb über längere Zeit tolerierten - bis Funkgeräte schliesslich Pflicht wurden - wundert mich noch heute.
Von Checklisten, Flugplanung- und Vorbereitung war damals nie die Rede. Man stieg in den Holzvogel, schnallte sich an und ab ging die Post... Flying by the nature method.....


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