Flug nach Suwalki in Ostmasuren

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virtilia
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Flug nach Suwalki in Ostmasuren

Beitrag von virtilia »

Am letzten Wochenende im Juli 2016 unternahmen wir mit insgesamt 6 UL-Maschinen eine Tour zu einem befreundeten Flugplatz in Suwalki östlich der der polnischen Region Masuren. Landschaft und Leute sind allemal einen Aus-Flug wert und der Weg ist ebenfalls interessant. Wir haben dabei auch einen ganze Menge gelernt... Eigentlich war geplant, bereits am Freitag Morgen von Stechow (EDUA) loszufliegen, um nach berechneten 5,5 h Flugzeit mit Tankzwischenstopp ziemlich genau auf der Streckenhälfte auf dem Platz in Suwalki anzukommen.

Aber wie so oft hat das Wetter wieder mal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eine Schlechtwetterfront mit Gewitterzellen, starkem Wind und Regen und einem mit Abstand darauf aus Westen folgenden Regengebiet führten zur Aufteilung in zwei Gruppen. Die erste Gruppe, die davon ausging, durch eine Lücke des schlechten Wetters durchstoßen zu können, startete sodann auch am Freitag Morgen mit einem Pioneer- und einem Dynamic-Tiefdecker, beide mit Einziehfahrwerk und einer Remos G3 – insgesamt 3 Männer und 2 Frauen als Crews.

Die Flugstrecke
Die Flugstrecke
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Das Ziel: Suwalki
Das Ziel: Suwalki
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Die zweite Gruppe beschloss, das wesentlich bessere vorhergesagte Wetter abzuwarten und am Samstag nachzukommen. In der zweiten Gruppe waren zwei C42 und ein SkyRanger mit ebenfalls 3 Männern und zwei Frauen als Crews.
Um 5:15 Uhr am besagten Samstag Morgen hoben wir von der Piste 04 in Stechow (60 km nordwestlich Berlin) ab. Die erste Gruppe hatte trotz der viel schnelleren Flugzeuge aber aufgrund der Wetterprobleme für die Strecke 9 statt der berechneten 5 Stunden gebraucht, musste Zwischenlanden und hinter der Schlechtwetterfront kreisen, um nicht hinein zu geraten.
Der erste Flugabschnitt lief bei dem morgendlichen Wetter erwartungsgemäß wie auf Schienen.

C42 am Morgenhimmel über Brandenburg
C42 am Morgenhimmel über Brandenburg
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10 Minuten vor Erreichen der Polnischen Grenze meldeten wir uns bei Gdansk Information an und erhielten einen neuen Squawk und die Anweisung, nach knapp 350 km Flugstreckke zur Zollabfertigung auf dem Internationalen Flughafen Bydgoszcz (Bromberg, EPBY) zu landen. Polen war durch den Papstbesuch im Ausnahmezustand und hatte aus Sicherheitsgründen das Schengen-Abkommen vom 4. Juli bis zum 2. August außer Kraft gesetzt.

Also landeten wir auf der breiten Betonpiste des Internationalen Flughafens, der wegen unserer frühen Ankunft für uns die Landebahnbefeuerung eingeschaltet hatte, nach tiefem Überflug der Stadt Bydgoszcz – einer Stadt mit so vielen Einwohnern wie Wuppertal. Wir wurden von einem sehr freundlichen jungen Mann mit einem kleinen Shuttlebus an den Maschinen abgeholt, nachdem wir von den Marshallern auf dem GAT eingewunken worden waren. Nach der Passkontrolle im modernen Flughafengebäude ging es hinaus in die große Check-In-Halle, in der bereits zahlreiche Urlauber für die Bordkarten anstanden. Wir mussten pro UL 25 € Landegebühr abdrücken (das ging per Kreditkarte) und anschließend durch die Sicherheitskontrolle, vorbei an ungläubig dreinschauenden Passagieren an den Flugsteigen wieder nach draußen zum Shuttlebus.

Final Runway 26 Bydgoszcz International
Final Runway 26 Bydgoszcz International
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Zurück bei den Maschinen entschlossen wir uns, wegen des Zeitverlustes (das Ganze hat ganz schön gedauert) auf dem Flughafen zu tanken. Der riesige Tankwagen kam dann auch nach einer Weile, musste aber nach dem Betanken der einen C42 wieder abrücken, weil die Batterien in seinem Kartenlesegerät leer waren. Er ließ sich auch nicht mehr blicken und wir erfuhren, dass gleich eine Boeing 737 der Ryanair landen und zuerst betankt werden würde, was ca. 30 Minuten dauert. Wir entschlossen uns daher, zu unserem ursprunglichen Tankzwischenstop Watorowo (EPWT) weiter zu fliegen und dort Benzin zu fassen.

Begegnung mit einer Boeing 737
Begegnung mit einer Boeing 737
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Nach dem Starten und Warmlaufen der Motoren erbat ich Rollanweisungen vom Tower. Die wurde uns verwehrt mit der Begründung, wir müssten erst einen Flugplan zu dem 30 km weiter gelegenen Watorowo aufgeben. OK, dachte ich, das haben wir ja im Flugfunkkurs zu Genüge geübt. Wir wurden also wieder mit dem Shuttlebus abgeholt und zum Briefing Room gebracht. Dort füllten wir nach bestem Wissen und Gewissen den Flugplan aus, ließen dabei aber bestimmte Angaben aus, wie z.B. Ausweichflugplätze (Watorowo ist ja „um die Ecke“). Der Plan wurde abgegeben und sichergestellt, dass er per Fernkopierer (hoffentlich) an den Tower geschickt wurde. Danach ging es mit dem Shuttlebus zurück zu den inzwischen in der Gluthitze des Spätvormittags stehenden Maschinen.

Wir ließen die Motren erneut an, und ich erbat wieder Rollanweisungen. Inzwischen hatte der Türmer zu einer Türmerin gewechselt, die irgendwie gar nicht gut auf uns Njemeckis zu sprechen war. Ich wurde angefaucht, dass wir die Motoren nicht ohne Startup Engine Request starten dürften und sie sofort wieder ausmachen müssten. Und ich dachte, dass gilt nur für IFR-Flüge... Danach hilet man uns zur Strafe stundenlang fest. Die Türmerin gab immer wieder auf Nachfrage an, der Flugplan läge ihr noch nicht vor und ich solle mich gedulden und das Funkgerät anlassen, damit sie sich melden könne, wenn der Plan aufgetaucht ist. Der Flugplan lief ab und meine Bordspannung begann nach einer halben Stunde Warten auch abzusinken.
Ich hatte zum Glück die Telefonnummer von Warszawa FIS und habe sie angerufen. Ein freundlich Dame wusste bereits genau Bescheid und schloss den Flugplan. Es fehlten Details, die wir in unserem Kurs nie eingegeben haben, wie z.B. bestimmte Angaben über das Notequipment. Das einfache Wegstreichen reichte ihnen wohl nicht, es hätte dort ausgeschrieben „No Emergency Radio“ stehen sollen, wenn ich das richtig interpretiere.

Jedenfalls konnte ich einen neuen Flugplan per Telefon aufgeben, den ich mit 1,5 h Sicherheitsmarge versah. Das war auch gut so, denn bis wir endlich die Motoren starten durften, vergingen erneut knapp 60 Minuten. Dass sämtlicher anderer Verkehr einschließlich B737, Hubschrauber, Cessnas, Segelflugzeuge, F-Schlepps und Gleitschirmflieger Vorrang hatten, ließ uns vermuten, dass hier Schikane am Werk war. Am Rollhalt Alpha der Piste 26 durften wir dann nochmal 8 Minuten verbringen, bevor es hieß „line up runway 26, report when ready for departure“. Nach dem 4-stündigen unfreiwilligen Aufenthalt und der Startfreigabe waren wir sehr froh, Bydgoszcz International den Rücken kehren zu können.

In Watorowo landeten wir daher recht spät, aber die Leute auf dem schönen modernen Platz waren sehr freundlich und hilfsbereit. Sie hatten einen nagelneuen Tankwagen mit Avgas und UL-91 und diskutierten aufgeregt auf polnisch, wie der eingebaute Kreditkartenleser zu bedienen sei.

Flugplatz Watorowo
Flugplatz Watorowo
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Tanken in Watorowo
Tanken in Watorowo
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Schließlich hat aber alles geklappt und wir konnten mit vollen Tanks in den mit kräftiger Thermik aufwartenden Himmel steigen und nach einem Halbkreis Kurs auf Masuren nehmen.
Dieser zweite Flugabschnitt verlief –Engländer würden sagen – „uneventful“. Nur dass es nach dem Überfliegen der wunderschönen hügeligen masurischen Seenlandschaft mit einem Grün, wie man es sonst nur aus Irland kennt, pünktlich zur Landung in Suwalki zu regnen begann. Trotz starken Regens gelang allen drei Maschinen eine perfekte Landung auf der Graspiste. Die Mannschaften der am Vortag gestarteten Flugzeuge erwarteten uns mit Spanferkel, Starkbier und natürlich polnischem Vodka.

Endlich da! Die Reihe unserer Maschinen
Endlich da! Die Reihe unserer Maschinen
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Die erste Gruppe war nur wegen des schlechten Wetters ausgebremst worden. Sie hatten darauf verzichtet, sich beim polnischen FIS zu melden und hatten auch die Transponder ausgeschaltet gelassen. Letzteres ist nicht erlaubt, in Polen muss immer mit Transponder geflogen werden. Diese und andere Informationen z.B. über die Lufträume sollte man sich unbedingt vorher einholen. Auf den ICAO-Karten sind in Polen auch Sektoren eingezeichnet, die durch Korridore getrennt sind. Diese Korridore sind militärische Tiefflugkorridore, die an Werktagen gefährlich sein können. Darüber gibt natürlich der FIS Auskunft.
Suwalki hat ebenfalls einen schönen Verkehrslandeplatz mit 2 Graspisten in 06/24 und 18/36 Ausrichtung und 640 bzw. 400 m Länge. Die Leute dort sind auch sehr nett und hilfsbereit und der Ort, den man nach sher kurzer Fahrzeit erreicht, ist sehr sauber und gepflegt. Die Fassaden und dunklen Blechdächer der Häuser erinnern stark an Orte des Baltikums. Es gibt schön angelegte Parkanlagen, aber auch gute Einkaufsmöglichkeiten. Das frühere Sudauen hat heute ca. 60.000 Einwohner und ist nur 30 km von der Litauischen Grenze entfernt.

Wir übernachteten in einem sehr modernen und guten Hotel, das nach unserem Standard 4 Sterne verdient hätte für knapp 70 € pro Doppelzimmer mit Frühstück, Sauna und Spabereich.

Am Sonntag Morgen bekamen wir Transporthilfe und Leihkanister, um an der nahe gelegenen Tankstelle 98 Oktan-Super für 1,12 €/Liter zu kaufen. Um fünf vor zehn waren wir wieder abflugbereit und traten die fast 750 km lange Strecke nach Stechow an. Die Luft war sehr bockig, nicht selten ging es mit 9 bis 10 m/s nach oben, und unsere kleinen ULs tanzten zeitweise wie Korken auf den Wellen.

masurische Seen
masurische Seen
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Wir wurden kurzzeitig einmal von zwei Seeadlern und ein anderes Mal von einem Storch begleitet, der einer der Maschinen gefährlich nahe kam. Nach erneutem Tankzwischenstopp in Watorowo – der Tankwart hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht, so dass wieder etwas Glück nötig war, um den Kartenleser zu bedienen – ging es non-stop nach Stechow. Wegen des Gegenwindes brauchten wir eine halbe Stunde länger, als auf dem Hinweg, nämlich 6 Stunden für die knapp 750 km.
Mit dem Überfliegen der Oder änderte sich die Landschaft abrupt wieder zu dem gewohnten Bild: in Polen gibt es viel mehr weit verteilte Einzelhäuser oder Höfe, viel mehr Brachland und viel mehr Baumgruppen und Knicks.

Nach der Landung, der Reinigung des Flugzeugs und der Heimfahrt gab’s noch ein zischend kühles Pils und dann nur noch das Bett...


Hamburg
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Fluglehrer
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Re: Flug nach Suwalki in Ostmasuren

Beitrag von Fluglehrer »

Na das ist ein super toller Bericht !

Vielen Dank und Gruss Thomas!
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Janina
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Re: Flug nach Suwalki in Ostmasuren

Beitrag von Janina »

Da ich Teil dieser Odyssee war, kann ich den Ärger in Bydgocz nur bestätigen mit dem freundlichen Hinweis, dass ich Polen für lange Zeit von meinem Ausflugsplan gestrichen habe ;o)

Das schönste an diesem Ausflug war die gesammelte Erfahrung.

Lasst uns lieber wieder nach Schweden fliegen, das war so ganz anders.... nämlich einfach schön.

Sehr schön geschriebener Reisebericht!


Ingo_Mark
Beiträge: 2
Registriert: 10.03.2018 08:30

Re: Flug nach Suwalki in Ostmasuren

Beitrag von Ingo_Mark »

Sehr sehr schön geschriebener Bericht. Gefällt mir wirklich gut.

Nur möchte ich als Teilnehmer der ersten Gruppe zumindest Kleinigkeiten richtig stellen.
1) ich hatte den gesamten Flug über meinen Transponder an und auch einen sehr freundlichen Kontakt mit FIS.
2) wir sind nicht gekreist und haben deshalb 9 Stunden benötigt. Wir waren hinter einer Schlechtwetterfront hinterher geflogen, die zeitversetzt von einer Zweiten gefolgt wurde. Dazwischen gab es strahlenden Sonnenschein. Wir haben also Zwischenstopps eingelegt, in denen wir bei strahlendem Sonnenschein auf den Grasflächen der Landeplätze gelegen haben um die zweite Front ab zu warten, so dass wir kurz vor ihr wieder starten konnten um dann wieder die Erste ein zu holen. Die Folge war eben, dass wir zweimal anstatt wie geplant nur einmal runter mussten und auch recht lange Aufenthalte hatten.

Es ist zwar nicht wirklich wichtig, aber ich möchte doch nicht ganz so in ein schlechtes Licht gestellt werden.

Gruß, Ingo


Ingo_Mark
Beiträge: 2
Registriert: 10.03.2018 08:30

Re: Flug nach Suwalki in Ostmasuren

Beitrag von Ingo_Mark »

Wirklich schön gemachter Bericht.

Nur möchte ich als Teilnehmer der ersten Gruppe etwas korrigieren, nur damit es nicht so stehen bleibt, als hätten wir uns unmöglich benommen.

1) Ich hatte sehr wohl für die gesamte Zeit meinen Transponder an und auch einen sehr freundlichen Kontakt mit zwei Dienststellen von der polnischen FIS.
2) wir sind nicht 9 Stunden kreisend hinter einer Schlechtwetterfront hinterher geflogen. Es gab zwei Schlechtwetterfronten, die sich folgten. Wir waren dazwischen. Sobald wir die erste Front erreichten sind wir zweimal gelandet und haben die zweite Front abgewartet um kurz vor ihr wieder zu starten und der ersten hinterher zu fliegen. Dazwischen gab es strahlenden Sonnnenschein, so dass wir uns auf die Wiesen gelegt und gesonnt haben. Dadurch mussten wir halt auch viel warten und zwei anstatt der geplanten einen Zwischenlandung durchführen.

Es gab durchaus andere Dinge, die ich als „gelernte Erfahrung“ auf diesen Flug, zukünftig nicht wiederholen würde, aber das wäre eine andere Geschichte. Es ist meist besser, nur über das zu schreiben, was man selbst erlebt hat und nicht, was man durch Halbiformationen zusammengereimt hat.

Dennoch, sehr schön geschrieben und toll zu lesener Bericht.

Gruß, Ingo


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