Aussenlandungen - retro

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Moderator: aerotimmi

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swisseagle
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Aussenlandungen - retro

Beitrag von swisseagle »

Sechzig Jahre aktiver Flugsport- da kommt einiges an Erinnerungen zusammen: Besonders nachhaltig sind die Erinnerungen an meine Zeit als Segelflieger auf dem Flughafen Köln-Bonn in den Jahren 1962 bis ca. 1970. Zum Teil etwas skurrile Erlebnisse bescherten mir die diversen Aussenlandungen mit unserer vereinseigenen Ka 8b und der SF 27.

Die Ka 8b flog ich sehr gerne. Sie war ein einsitziger leichter Leistungssegler, der sich sehr wendig zeigte und mit dem man in der Thermik gut zurecht kam. Für die Landungen genügte eine relativ bescheidene ebene Fläche, z.B. eine gemähte Wiese, ein Getreide-Stoppelfeld oder sogar nur die Längsfurchen eines
gepflügten Ackers. Die SF-27 gab sich dagegen gewichtiger und erlaubte auf Streckenflügen wesentlich höhere Geschwindigkeiten. In der Thermik dagegen zeigte sie sich jedoch um einiges anspruchsvoller. Damals war die Möglichkeit von Aussenlandungen auf Streckenflügen erheblich grösser als diese bei den heutigen Hochleistungsseglern aus Faserverbund-Werkstoffen gegeben sind. Die Ka 8b hatte eine Gleitzahl von 1 zu 29 - das heisst, bei einem Höhenverlust von 1 m flog sie 29 m weit. Aktuelle Leistungssegler weisen Gleitwinkel von zum Teil über 1 zu 40 auf. Da sind enorme Distanzen im Streckenflug zu erreichen und Ziel-Rückkehrflüge fast schon Routine.

Als ich den geforderten Dauerflug von mindestens fünf Stunden für das silberne Segelflug-Leistungsabzeichen (Silber C) mit unserer Ka8 b bei bester Thermik antrat, war das über fast 4 Stunden eine ziemlich lockere Angelegenheit. Ich kurvte von Cumulus-Wolke zu Cumulus Wolke und das Variometer zeigte fast nur Steigen an. Später wurde es bei nachlassender Thermik am späteren Nachmittag beschwerlicher. Als nur noch Steigen zwischen 1,0 und 0.50 m/sec. angezeigt wurden, rettete mich eine Oelraffinerie am Rhein südlich von Köln mit ihrem Industrieaufwind. Dort verharrte ich, bis die geforderten 5 Stunden abgeflogen waren und machte mich dann auf den Rückweg zum Flughafen Köln Bonn. Nach beständigem Sinken musste ich dann aber auf einer Wiese herunter. Nach der glatten Landung bat ich einen herbeigeeilten Passanten, auf meinen Segler aufzupassen und spurtete zur Toilette eines nahe gelegenen Gasthofes.
Fünf Stunden sind ja bezüglich Harndrang nicht ganz ohne.....

Die nächste Aussenlandung war - ebenfalls nach einem Streckenflug für das silberne Leistungsabzeichen - fast gleichzeitig im August 1966 - fällig. Bei guter Thermik machte ich mich mit unbestimmtem Ziel vom Flughafen Köln-Bonn nach Westen auf den Weg. Im "Sägezahn-Verfahren" flog ich unter einer
Wolkenstrasse - steigend und die Höhe in Strecke umsetzend - etwa drei Stunden in westliche Richtung. Gefordert war eine Strecke von mindestens 50 km.
Als ich unten plötzlich im Nichts endende Strassen und Wege bemerkte, war meine Position klar. Das musste die holländische Grenze sein. Ich machte kehrt und erschrak gewaltig: Genau unter mir standen geparkte Düsenbomber vom Typ Camberra der Royal-Air-Force auf dem Militärflugplatz Wildenrath im Kreis Erkelenz, ganze 76 km von Köln-Bonn entfernt. Am Wochenende herrschte jedoch kein Flugbetrieb. So flog ich wieder ein Stück nach Osten und landete auf einer grossen Wiese nahe der Bundesstrasse. Als ich aus meinem Segler stieg und mich auf den Weg zu einem Telefon der nahen Siedlung machte, kamen mir zwei schwarz gekleidete Bestatter entgegen. Diese hatten ihren Leichenwagen am Strassenrand abgestellt und interessierten sich für mein Segelflugzeug. Makaber war, dass in kurzer Zeit die Strasse mit abgestellten Fahrzeugen verstopft war, deren Insassen einen Flugzeugabsturz vermuteten.....

Nächste Aussenlandung nach Thermikflaute: Eine halbe Stunde nach dem Start mit der Ka 8b war der Thermikofen aus. Blick nach unten: Da gab es eine grössere eingezäunte Viehweide. Eine Herde Kühe hielt sich in einer Ecke der Weide auf. Anflug unter Beobachtung der Rinder und glatte Landung. Als ich aussteigen wollte, trabte ein honoriger Bulle auf mich zu und blieb vor meinem Flieger stehen. Er schien sich sehr für mich zu interessieren. Ich schloss die
Cockpithaube und wartete, wartete und wartete. Nach geraumer Zeit erschien der Chef der Herde - ein Bauer und trieb den Bullen zurück zur Herde und die Herde dann in ihren Stall. Ich war erlöst und machte mich auf zum Telefon einer nahen Gaststätte.

Einige Zeit später erwischte es mich mit der SF 27. Nach einem Ueberlandflug mit geplanter Rückkehr zum Flughafen Köln-Bonn musste ich nach einer Thermikflaute in Sichtweite des Flughafens aussenlanden. Nach einigem Suchen nach einem geeigneten Landeplatz entdeckte ich ein hoch stehendes Getreidefeld. Da gab es keine andere Wahl. Bremsklappen raus und Anflug via eine uralte Steinbrücke die einen Bach querte. Ich zog leicht am
Steuerknüpppel, bis die Halme gegen das Leitwerk klatschten. Bremsklappen rein und schon rauschte ich durch das Getreide. Der linke Flügel bremste den Flieger dann mit einer Drehung um die Hochachse ab, bis ich unbeschädigt stand. Als ich aus dem Segler stieg, sah ich bald wie ein Metzger aus. Ueber und über mit grünem Blut beschmiert - von den Raupen an den Halmen, die auf meiner hellen Kleidung zerplatzt waren. Die Kommentare meiner Kameraden, die mich mit dem Transportanhänger abholten, kann man sich vorstellen, jene der Gäste eines nahen Gasthofes, in dem wir das Landebier konsumierten, auch.

Anfang der Siebzigerjahre, nachdem ich in der Schweiz auf Reisemotorsegler umschulte, war die Phase der Aussenlandungen vorbei. Einerseits ein Komfort und andererseits ein Sicherheitsgewinn. Eine etwas wehmütige Erinnerung an die Zeit als motorloser Segelflieger bleibt allerdings.
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