Nostalgische Flugbuch-Erinnerungen

Hier geht es um das Thema Segelflugzeuge alle Typen und Muster

Moderator: aerotimmi

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swisseagle
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Nostalgische Flugbuch-Erinnerungen

Beitrag von swisseagle »

Manchmal verfalle ich in nostalgische Erinnerungen, wenn ich wieder einmal meine alten Flugbücher durchblättere. Der Eintrag meines ersten Schulfluges stammt vom 25. Februar 1961. Sofort ist dieses für mich denkwürdige Datum, obwohl es inzwischen mehr als sechzig Jahre zurück liegt, wieder präsent:
Fliegerhorst Penzing nahe meiner Heimatstadt Landsberg am Lech: Nachdem ich im Spätherbst 1960 Mitglied der örtlichen Segelfluggruppe geworden war,
stand nach den Theorieseminaren im Winter der erste Schulflug an. Der 25. Februar war ein milder Tag, an dem sich der nahende Frühling bereits ankündigte.
Meine Kameraden und ich erwarteten gespannt unseren ersten Schulflug auf dem Doppelsitzer Mü 13 E "Bergfalke", ein bewährtes Segelflugzeug, das bereits
vor dem Zweiten Weltkrieg gute Dienste leistete.
Um 17.31 h war es endlich so weit. Nachdem ich den ganzen Tag mit dem Zurückschieben unserer Segler nach deren Landung beschäftigt war, durfte ich mich im Cockpit unseres "Bergfalken" anschnallen. Hinter mir nahm Hauptmann W., seines Zeichens Jet-Fluglehrer der Bundes-Luftwaffe, Platz. Noch einige letzte Instruktionen vor dem Start, und schon rollte die von der Luftwaffe grosszügig als Schleppflugzeug zur Verfügung gestellte Dornier Do 27 heran. Nach deren Wenden in Startposition klinkte ein Kamerad das Schleppseil an der Do 27 ein. Dazu hob er das Höhenruder mit der Hand nach oben an und schob den
Metallring des Seiles in die geöffnete Schleppkupplung. Dann senkte er das Höhenruder wieder zurück, worauf der Pilot an den Bewegungen seines Steuerknüppels erkannte, dass er die Verriegelung der Kupplung schliessen konnte. Unser Kamerad zog einige Male kräftig am Schleppseil um zu prüfen, ob es an der Do 27 fest sass. Alles klar - wir konnten starten. Ein Kollege hob eine Tragfläche an, um unseren Segler in die waagerechte Abflugposition zu bringen. Unsere Dornier rollte behutsam nach vorne, das Seil straffte sich und mit Vollgas zog uns das kräftige Schleppflugzeug über die vom Winter noch braune trockene Graspiste. Bald hoben wir ab, während es für die Do noch eine Weile dauerte, bis auch sie vom Boden frei kam. Wir stiegen zügig und der markante Sound der Schleppmaschine, der im ersten Steigen vom Boden zurück hallte, löste ein kribbelnd wohliges Gefühl aus. Mein Instruktor ermahnte mich von hinten, etwas oberhalb hinter der Do 27 zu bleiben, um nicht in deren Propellerwirbel zu geraten. Vorsichtig fühlte ich am vorderen Steuerknüppel mit
und versuchte, die Position hinter dem Schleppflugzeug zu halten. Wir hatten inzwischen einige hundert Meter Höhe erreicht und drehten nach einer Rechtskurve weiter steigend in den Gegenanflug.
Die erbsengrüne Do 27 mit ihren markanten schwarz-weissen eisernen Kreuzen auf den Tragflächen wackelte. "Ausklinken" - rief mein Fluglehrer und so zog ich den entsprechenden Knopf. Das Seil vor uns löste sich und wirbelte wie eine Schlange hinter der Do 27 her. Unser Schlepper tauchte Sekunden später über die linke Tragfläche fast wie einer der ehemals legendären Stukas zum Seilabwurf und anschliessenden Landung nach unten weg.
Nun hiess mich mein Lehrer, den Bergfalken auf Kurs und horizontal gerade zu halten und auf die Geschwindigkeit zu achten. Ziemlich anspruchsvoll und im
ersten Moment dachte ich: "Das lerne ich nie". Aber plötzlich klappte es einigermassen. Jedenfalls erhielt ich keinen Anpfiff von hinten.
Nachdem wir ziemlich Höhe verloren hatten, musste ich in den Queranflug eindrehen. Schräglage mit den Querrudern und Richtungswechsel koordiniert mit dem Seitenruder einleiten. Dazu mit dem Höhenruder die korrekte Geschwindigkeit halten. Nicht ganz einfach. Kurz darauf das Gleiche nochmals beim Eindrehen in den Endanflug. Im Sinkflug schob sich das Landefeld immer näher heran. Luftbremsen dosiert ausfahren, Gleitwinkel einhalten - schliesslich sanft abfangen, aufsetzen und ausrollen. Geschafft. Nach dem Oeffnen der Cockpithaube erwartete ich eine militärisch knappe Standpauke über meine fliegerische Leistung. Nichts dergleichen. "Du wirst ein guter Pilot" - kam der Kommentar von hinten. Das kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Wie konnte Hauptmann W. - sicher kein Hellseher - eine solche Feststellung bereits nach dem ersten Schulflug treffen? Jedenfalls bin ich mit rund 1'100 handgeflogenen Flugstunden auf diversen Segelflugzeug- und Motorsegler-Typen kein Bruchpilot geworden. Und an Altersdemenz leide ich bis heute auch nicht - sonst hätte ich diesen Beitrag nach über sechzig Jahren wohl nicht aus dem Gedächtnis schreiben können..... ;)

Bild: Unsere Flugschüler-"Truppe" 1961 auf dem Flugplatz Penzing/Landsberg am Lech. (Ich sitzend auf dem Cockpit des "Bergfalken").
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