Von tollkühnen und alten Piloten......

Hier geht es um das Thema Segelflugzeuge alle Typen und Muster

Moderator: aerotimmi

Antworten
Benutzeravatar
swisseagle
Beiträge: 471
Registriert: 07.08.2018 16:57

Von tollkühnen und alten Piloten......

Beitrag von swisseagle »

Ein geflügeltes Sprichwort besagt: Es gibt tollkühne und alte Piloten - aber keine tollkühnen alten Piloten. Stimmt - meistens jedenfalls. Ich zähle mich zwar inzwischen zu den alten - aber nicht zu den tollkühnen, ja noch nicht einmal zu den kühnen Piloten. Nach Jahrzehnten aktivem Flugsport ohne einen Kratzer an Mensch und Fluggerät schreibe ich das im Wesentlichen meiner defensiven fliegerischen Mentalität und der Gewohnheit zu, bei meinen fliegerischen Aktivitäten immer gut dimensionierte Sicherheitsreserven zu berücksichtigen und alle Regeln nach bestem Wissen und Gewissen einzuhalten.
Trotzdem gab es einige Situationen, die glimpflich ausgingen, da offensichtlich hin und wieder ein Schutzengel mitflog.

Anfang der Sechzigerjahre, als ich in Süddeutschland noch auf dem einsitzigen Vorkriegssegler "Grunau Baby" flog, wunderte ich mich über die relative Schwergängigkeit der Querrudersteuerung. Niemand mass diesem Umstand Bedeutung zu und so wurde munter weiter geflogen - bis der Flieger in den Wintermonaten eine neue Bespannung erhielt und das Sperrholzgerippe der Tragflächen offen lag. Da stellte sich heraus, dass das Steuerseil für ein Querruder von seiner Führungsrolle gesprungen war und den Tragflächenholm bereits bis fast zur Hälfte durchgescheuert hatte. Beim weiteren Flugbetrieb wäre bei der Belastung im Windenstart wohl eines Tages eine Tragflächenhälfte weggebrochen - mit nachvollziehbaren Folgen. "Nun könnt ihr nochmals Geburtstag feiern" - meinte kurz und trocken unser Fluglehrer......

Mitte der Sechzigerjahre auf dem Flughafen Köln-Bonn. In der vereinseigenen Ka 8b startete ich zu einem Streckenflug. Als die Thermik gegen den späteren Nachmittag schwächer wurde, sah ich voraus einen Segelflugplatz und entschloss mich, dort zu landen, um den Rücktransport zum Ausgangsflugplatz zu erleichtern. Als ich das Fluggelände zuerst in grösserer Höhe überflog, rauschte plötzlich ein Ka-7 Doppelsitzer von hinten in etwa zwanzig Metern Höhe über mich hinweg und zog nach oben weg. Nach meiner Landung kam der Kamerad auf mich zu und meinte nur: "Das war knapp". Ja, bestätigte ich: "Das war wirklich knapp". Aus der Ka-7 hatte man mich erst in letzter Sekunde gesehen und sofort hochgezogen.

Gebirgsflug in den Achtzigerjahren in der Schweiz. Mit meinem Fluggast unternahm ich in einem Tourenmotosegler vom Typ Scheibe SF-25 C-Falke bei herrlichem Aprilwetter einen Rundflug ins Hochgebirge. Wir stiegen langsam bis auf ca. 3'500 m MSL, als ich hinter der Gebirgskette im Süden eine geschlossene Wolkenschicht bemerkte. Ich drehte nach Osten ab und sah plötzlich, wie die Nadel des Fahrtmessers von Marke zu Marke rückwärts lief. Mein Verdacht: Fallwinde. So drückte ich den Flieger in einen steilen Bahnneigungsflug, um Geschwindigkeit aufzuholen. Da stand der Fahrtmesser plötzlich auf null und sofort dämmerte es mir: Fahrtmesservereisung. Ein Blick auf die Tragflächen zeigte inzwischen Ueberfahrt. Die Flügelspitzen wippten kräftig auf und ab und mein Fluggast wollte panikartig mit dem Fallschirm abspringen. Er solle ruhig sitzen bleiben befahl ich ihm und begann, den Falken vorsichtig abzufangen und in einen rasanten Steigflug zu manöverieren. Als ich das Gefühl hatte, Fahrtgeräusch und Ruderdruck wären wieder normal, begann ich den langen vorsichtigen Sinkflug Richtung meines Heimatflugplatzes und landete schliesslich sicher mit immer noch gefrorenem Fahrtmesser.

Nochmals Rundflug in die Schweizer Gebirgslandschaft - diesmal solo - ebenfalls mit einem Scheibe SF-25 C-Falken. Der Wetterbericht war einwandfrei und das Wetter bis zum Rückflug ebenfalls. Im Anflug auf meinen Startflugplatz erkannte ich plötzlich eine aufziehende dunkle Wolkenwand, die so gar nicht zum Wetterbericht passte. So nahm ich Funkkontakt mit meinem Platz auf und fragte nach den Wetterverhältnissen. "Kein Problem - alles o.k." war die Antwort. Trotzdem kam die unheimliche Wolkenwand immer näher und ich entschloss mich, sofort auf Gegenkurs zu drehen und einen Ausweichplatz anzufliegen. Ein solcher bot sich mir mit Hausen am Albis - westlich des Zürichsee's an. Ich beobachtete eine startende Piper und begann dann sofort mit dem Anflug für eine Sicherheitslandung auf dem PPR-Platz. Nach der Landung rollte ich zum Abstellplatz. Kaum hatte ich das Cockpit verlassen, begann es wie aus Kübeln zu schütten. Man konnte keine hundert Meter weit mehr sehen. Da wäre ein Crash wohl so sicher wie das Amen in der Kirche gewesen. In einer halben Stunde war alles vorbei und ein wolkenloser blauer Himmel folgte dem üblen Wetter. Ich trocknete mit einem Lappen Tragflächen und Leitwerk meines "Vogels" ab und startete kurz darauf in einen absolut ruhigen Abendhimmel zurück zu meinen Heimatflugplatz.

Quintessenz: Ohne eine gute Portion Glück geht es - bei aller Vorsicht - auch in der Fliegerei nicht. Dass die Fahrt zum Flugplatz der gefährlichste Teil der Fliegerei sei, dürfte nach meinen Erfahrungen wohl ein Gerücht sein...... :oops:


[img][/img]
Antworten

Zurück zu „Rund um das Thema Segelflugzeuge“