Trudeln - Wie ein welkes Blatt vom Himmel.....

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swisseagle
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Trudeln - Wie ein welkes Blatt vom Himmel.....

Beitrag von swisseagle »

Lange Zeit während meiner fliegerischen Betätigung war mir Trudeln ziemlich unheimlich. Dieser Flugzustand galt für viele schwere Unfälle ursächlich und ich versuchte daher immer, zu langsames Fliegen - speziell in geringeren Höhen - und damit ein Ueberziehen des Fluggerätes tunlichst zu vermeiden. Bis ich mich eines Tages dazu überwinden konnte, mit einem Fluglehrer unserer Segelfluggruppe erstmals Trudelerfahrung zu sammeln: In einem Ka 7 Segelflug-Doppelsitzer liess ich mich mit meinem Instruktor von einer Robin-Schleppmaschine auf grössere Höhe ziehen. Nach dem Ausklinken Steuerknüppel langsam nach hinten, bis der Flieger wie eine reife Pflaume am Himmel hing. Dann ein kräftiger Querruderausschlag und schon tauchten wir über die Tragfläche nach unten weg. Vom hinteren Sitz vernahm ich: "Kopf gerade halten!" (Desorientierung vermeiden). Die Nase der Ka 7 zeigte steil nach unten und Felder und Wälder rotierten - einmal, zweimal, dreimal. Steuerknüppel etwas über Normalstellung nach vorne, Tritt entgegen der Drehung ins Seitenruderpedal - und fast sofort hörte das Rotieren auf. Mit Zunahme des Fahrtgeräusches folgte ein sanftes Ziehen des Steuerknüppels und dann war ein normaler Flugzustand wieder erreicht. "War doch nicht so wild - oder?" meinte mein Lehrer vom hinteren Sitz. "Ja, alles klar" - antwortete ich.

Meine anfängliche Aversion gegen das Trudeln hatte seinen Grund in einem persönlichen Erlebnis Mitte der Fünfzigerjahre, das mir bis heute unvergesslich blieb. Damals war ich noch Grundschüler und verbrachte die Sommerferien zuhause mit Ausflügen und Baden am nahe gelegenen Lech. An einem herrlichen Augusttag rasten am späteren Vormittag plötzlich Löschfahrzeuge der militärischen Flugplatzfeuerwehr durch den Ort. Mit dem Fahrrad folgte ich in immer grösserem Abstand - bis ich nach etwa einer guten halben Stunde am Ort des Geschehens eintraf. Mitten auf freiem Feld standen die Feuerwehren um das ausgebrannte Wrack eines militärischen Schulflugzeuges vom Typ North American Harvard Mark IV. Der knallgelbe Doppelsitzer war nahezu senkrecht aufgeschlagen und lag nun mit dem halbwegs intakten hinteren Teil des Rumpfes auf dem Rücken. Die Flammen waren bereits gelöscht - nur noch leichter Rauch stieg aus dem Havaristen. Ein Landwirt, der den Absturz während seiner Feldarbeit aus der Nähe beobachtet hatte, erklärte einem US-Militärangehörigen, wie sich der Unfall zugetragen hatte: Das Flugzeug sei nach einem Kunstflugmanöver trudelnd immer weiter Richtung Erde gestürzt. Als der Bauer überzeugt war, dass das nicht mehr gut ausgehen konnte, schlug die Maschine auf und explodierte in einem Feuerball. Besonders schockiert war ich, als die Besatzung eines Sanitätsfahrzeuges mit weissen Leinensäckchen auf das ausgebrannte Flugzeug zugingen und die verkohlten Reste des Fluglehrers und seines Schülers aus dem Trümmern bargen. Damals war der Flugplatz Penzing Fliegerschule der US-Airforce. Die zahlreichen Trainingsflugzeuge von Typ Harvard Mark IV bzw. T 6 wurden später von der neuen deutschen Bundesluftwaffe für die Schulung ihres Pilotennachwuchses übernommen.
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Schulflugzeug Harvard Mark IV (Symbolbild)
Schulflugzeug Harvard Mark IV (Symbolbild)


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