Sicher fliegen - mit gesundem Menschenverstand

Hier geht es um das Thema Sportflugzeuge aller Typen der E-Klasse

Moderator: aerotimmi

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swisseagle
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Sicher fliegen - mit gesundem Menschenverstand

Beitrag von swisseagle »

Wenn ich die Flugunfallberichte in meiner Luftfahrtliteratur lese, überkommt mich Erschauern und ein verständnisloses Kopfschütteln. Ich frage mich dann, was in den Köpfen so mancher Fliegerkollegen - wesentlich weniger von Fliegerkolleginnen - vorgeht, die oft von allen guten Geistern verlassen zu sein scheinen. Da wird Theorie gepaukt bis die Köpfe rauchen und die Fluglehrer/Lehrerinnen geben sich alle nur denkbare Mühe, ihren Schützlingen beizubringen, was in der fliegerischen Praxis geht und was nicht geht. Und trotzdem: Immer wieder ereignen sich schwere Unfälle wegen schwieriger Wetterbedingungen, die mit gesundem Menschenverstand absolut vermeidbar gewesen wären. Fliegen unter VFR-Bedingungen, also nach Sichtflugbedingungen, kann nicht funktionieren,
wenn in Wolken, Nebel oder starken Dunst eingeflogen wird. Dann kommt es in den meisten Fällen zur bekannt- berüchtigten räumlichen Desorientierung, die auch erfahrenen Piloten immer wieder zum Verhängnis wird. Die immer noch oft verbreitete Auffassung, man könne nach Gefühl seinen Flieger auch bei schlechten Sichtverhältnissen unter Kontrolle halten, ist ein meist tödlicher Irrtum. Mitte der Fünfzigerjahre spendierte mir meine Grossmutter als Teenager auf dem Flughafen Stuttgart-Echterdingen einen Rundflug in einem bulligen Schulterdecker mit Sternmotor (wahrscheinlich eine Otter aus ehemaligen US-Beständen). Wir starteten bei schönstem Wetter und flogen eine weite Schleife um Stuttgart und dessen Fernsehturm. Plötzlich sah ich nach vorne und bemerkte, dass der Horizont scheinbar völlig schief vor der Flugzeugnase hing. Dabei hatte ich das Gefühl einer völlig normalen Lage unseres Flugzeuges. Die Fliehkraft im Kurvenflug hatte mir diese Normalität suggeriert. In den Wolken hätte ich eine solche räumliche Desorientierung niemals bemerkt. Diese Erfahrung hatte sich während meiner jahrzehntelangen Betätigung als Sportflieger bleibend eingeprägt.
Nicht nur schlechtes Wetter ist eine häufige Unfallursache: Da wird ein Flug schlecht geplant und keine ausreichende Treibstoffreserve getankt, wenn man
einen Ausweichplatz anfliegen oder aufgrund schwieriger Wetterbedingungen zum Ausgangsflugplatz zurückkehren muss. Plötzlich steht der Prop still und es geht nur noch nach unten. Grosses Glück, wenn dann ein passendes Notlandefeld in der Nähe ist.
Sich im Tiefflug bei marginaler Sicht an Strassen, Schienen oder Flüssen nebst anderen Navigationspunkten entlang zu hangeln, kann böse ins Auge gehen. Viele Akteure sind dabei schon gegen Masten, Hochspannungsleitungen oder andere Hindernisse gekracht und abgestürzt.
Die Fliegerei im Gebirge ist ein spezielles Thema: Da wird im Steigflug auf Passhöhen zugeflogen, bis es zur Ueberquerung dann doch nicht reicht. Beim Einflug in Täler hält man oft nicht genügend Abstand zu den vielen Kabeln von Seilbahnen sowie anderen Leitungen, die gegen bewaldete Hänge oft nur schwer zu erkennen sind. Täler sollten immer eine solche Breite aufweisen, dass eine eventuell nötige sichere Umkehrkurve problemlos möglich ist. Auch trotz widriger Windverhältnisse, z.B. starker Föhn, ins Lee von Bergflanken zu fliegen, kann in extreme Turbulenzen und zum Kontrollverlust über den Flieger führen. Diese Beispiele liessen sich beliebig fortführen.
Als entscheidend sehe ich, dass jeder/jede Pilot/in die gelernte Theorie auch in die fliegerische Praxis umsetzen kann und neben seinem Wissen und seiner Erfahrung mit dem unverzichtbaren gesunden Menschenverstand ins Cockpit steigt. Offensichtlich hatte ich diesen gesunden Menschenverstand während meiner fast lebenslangen fliegerischen Betätigung nicht über Bord geworfen. Sonst könnte ich diesen Beitrag wohl nicht mehr schreiben.... ;)
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